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08 | 2018Rainer Faus

Fokusgruppen: Die öffentliche Debatte im Kleinformat

<h1>Fokusgruppen: Die öffentliche Debatte im Kleinformat</h1>

Kommunikationsprofis wissen: Vor der Planung und Umsetzung eines Projektes steckt die Analyse. Dafür ist es bei manchen Projekten unerlässlich zu wissen, wie die Bevölkerung oder ausgewählte Stakeholder denken. Mit verschiedenen Methoden können im Verlauf eines Projektes eine Reihe von Fragen beantwortet werden: Wie steht meine Organisation in der öffentlichen Wahrnehmung dar? Was weiß eine bestimmte Zielgruppe über ein Projekt? Welche Erwartungen gibt es an das Projekt? Welche Sorgen und Ängste existieren in Bezug auf das Projekt? Welche Argumente überzeugen diese Zielgruppe? 

Wenn man diese Aspekte auf ein Infrastruktur- oder Bürgerbeteiligungsprojekt anwendet, wird klar: Die Abfrage von Faktenwissen ist hier wenig zielführend. Da Wissen, Meinungen und Einstellung ständig durch Kommunikation (neu) geformt werden, reicht es nicht einzelne Menschen zu befragen. Stattdessen muss die öffentliche Diskussion abgebildet werden. Doch wie soll das funktionieren? Indem man diese gesellschaftliche Diskussion im Kleinformat simuliert: Mit Fokusgruppen. 

Was sind Fokusgruppen? 

Fokusgruppen gehören zum Bereich der qualitativen Forschung, bei der anders als in der quantitativen Forschung keine großen Fallzahlen und repräsentative Aussagen gesucht werden, sondern ein tiefes Verständnis der Thematik angestrebt wird. Im „Härtetest“ von Fokusgruppen zeigt sich, ob ein Thema „heiß“ ist und leidenschaftlich diskutiert wird und ob ein Konzept oder ein Projekt der Diskussion standhält. 

Fokusgruppen sind Gruppendiskussionen mit 6-10 Teilnehmer*innen, bei denen ein oder eine Moderator*in dafür sorgt, dass sich alle Teilnehmenden auf ein bestimmtes Thema „fokussieren“ (daher der Name Fokusgruppen). 

Wichtig ist, dass die Teilnehmenden sich nicht selbst einladen können, sondern durch feste Kriterien, beispielsweise Alter, Geschlecht, Bildung und Einkommen ausgewählt werden. So wird garantiert, dass nicht nur selbst-selektierte Interessierte teilnehmen, die z.B. auch Beteiligungsmöglichkeiten nutzen oder bei öffentlichen Veranstaltungen auftreten, sondern dass „ganz normale“ Menschen eingeladen werden – also Menschen, die sich nicht täglich mit der zu untersuchenden Thematik beschäftigen, weil Arbeit, Familie und Freizeit den Tag auch so ganz gut ausfüllen. Als Anreiz zur Teilnahme gibt es eine Aufwandsentschädigung.

Warum Diskussion in der Gruppe? 

Um herauszufinden, was die Zielgruppe über ein bestimmtes Thema denkt, gibt es auch andere Methoden als Fokusgruppen. Nicht alle eignen sich jedoch für jede Fragestellung: Beispielsweise zielen Einzelinterviews entweder auf exklusives Wissen (Experteninterviews) oder auf die Biografie und Lebensumstände (Tiefeninterviews) ab. Bei Fokusgruppen geht es hingegen darum, Fragen, Themen und Projekte zu untersuchen, die stark in einen sozialen Kontext eingebettet sind und sich dementsprechend am besten auch in einem sozialen Setting untersuchen lassen. Die diskursive Natur von Fokusgruppen simuliert eine Diskussion unter Bekannten oder Kolleg*innen, wie sie täglich millionenfach in Deutschland geführt wird. 

Ziel von Fokusgruppen ist es nicht, Übereinstimmungen unter den Teilnehmern zu erzielen, sondern ein möglichst breites Meinungsbild zu erhalten, um möglichst alle Facetten eines Problems zu behandeln und dabei Begründungsmuster aufzudecken sowie Argumente zu erkennen. 

Was bringt’s? 

Um Ausreißern vorzubeugen führt man normalerweise mindestens zwei, besser vier bis acht Fokusgruppen durch. Dann liefern diese allerdings auch klare Antworten und Handlungsanweisungen für die Praktiker*innen. Das kann je nach Fragestellung sein: 

  • Wie ist die Stimmung in der Zielgruppe? 
  • Welche Themen werden heiß diskutiert? 
  • Welche Erwartungen an eine Organisation existieren? 
  • Inwieweit werden diese Erwartungen von einer Organisation erfüllt? 
  • Wie ist der Wissensstand zu einem Projekt? 
  • Welche Argumente sind bereits angelegt? 
  • Welche Argumente überzeugen, welche nicht? 
  • Wie überzeugend ist vorhandenes Kampagnenmaterial? Was muss geändert werden? 

Durch den qualitativen Ansatz bekommt man zwar keine repräsentativen Ergebnisse – allerdings ein sehr sicheres Gespür dafür, welches Wissen vorhanden ist, welche Informationen in der Zielgruppe fehlen, welche Sorgen, Ängste und Erwartungen es zu einem Thema oder Projekt gibt und welche Argumente funktionieren, oder eben auch nicht funktionieren. Und wenn man absolute Sicherheit haben möchte, schließt man einfach noch eine repräsentative Befragung an.