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03 | 2019Caroline Hille

Wenn die Energiewende das Geschäftsmodell verändert

<h1>Wenn die Energiewende das Geschäftsmodell verändert</h1>

Unternehmen aus dem Energiebereich stehen vor großen Herausforderungen: Die Bestimmungen des Pariser Klimaschutzabkommens und die damit einhergehende Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energieträger verändern die tägliche Arbeit. Vor allem kleine und mittlere Betriebe bangen um ihre Existenzgrundlage.   

Einer unserer Kunden, ein Verband für den Mineral- und Brennstoffhandel, möchte zusammen mit seinen Mitgliedern Ideen und Geschäftsfelder entwickeln, um den gesellschaftlichen Entwicklungen proaktiv begegnen zu können und die Unternehmen mit den Herausforderungen nicht allein zu lassen. Zu diesem Zweck soll eine Arbeitsgruppe gegründet werden, die sich aus Händlern, Tankstellenbetreibern, Softwareentwicklern und Vertretern anderer Verbände zusammensetzt. Dadurch sollen möglichst unterschiedliche Perspektiven in die Ergebnisse einfließen, um die Entwürfe für Unternehmen mit verschiedenen Anforderungen nutzbar zu machen.

Den Auftakt des Prozesses stellt ein von uns konzipierter und moderierter Workshop dar. Die Verbandsmitglieder sind aufgerufen, ihre Sorgen und Bedenken in Bezug auf ihre berufliche Zukunft mitzubringen und sich aktiv an einer Erarbeitung neuer Perspektiven für ihre Branche zu beteiligen. Für einen Verband, dessen Mitglieder schwerpunktmäßig Heizöl verkaufen, ist dies ein nicht unerhebliches Unterfangen. Zu groß scheint die Kluft zwischen dem etablierten Brennstoff und den Rufen nach klimaneutraler Energiegewinnung.

Herausforderungen identifizieren 

An einem sonnigen Morgen Mitte Februar in Mannheim: Der Co-Working-Space direkt am Fluss bietet eine gute Aussicht auf den Industriecharme des Hafenviertels. Die geschäftige Atmosphäre draußen spiegelt sich drinnen wider: Zum Auftakttreffen der geplanten Arbeitsgruppe haben sich 14 Brennstoff- und Mineralölhändler zusammengefunden. Sie befinden sich in leitenden Positionen, sind zwischen Anfang 30 und Unternehmensnachfolger oder über 60 und gestandene Energiehändler. Sie alle eint die Sorge um die Zukunft ihres Unternehmens.   

Im Vordergrund stehen politische und gesellschaftliche Entwicklungen, die die gesamte Branche betreffen: Die Abkehr von fossilen Brennstoffen hin zu klimaneutralen verändert den Wärmesektor und damit auch den Arbeitsalltag der Händler. Einige versuchen bereits, sich andere Geschäftsfelder zu erschließen, mal branchennah, mal vollkommen konträr. Andere sind an brancheninternen Kooperationen interessiert, wissen aber nicht so recht, wie diese aussehen können. Zudem herrscht Unsicherheit, wie das Vertrauen aufgebaut werden kann, dass der Mitbewerber einem nicht die eigenen Kunden abgräbt.

Themenbereiche priorisieren 

Der Workshop bringt erwartbare aber auch erstaunliche Ergebnisse: Die Diskussion zeigt zum Beispiel, dass auch die Unternehmenskultur verändert werden muss. Fähige Mitarbeiter könnten durch spannende und außergewöhnliche Aufgaben und Arbeitsplätze gewonnen werden. Oft fehle auch das Verständnis zwischen den Abteilungen, weil der Blick für das große Ganze mit der Zeit verloren gegangen ist. So weiß beispielsweise die Rechnungsabteilung oft nicht, was für Tankwagenfahrer wichtig ist und umgekehrt. Dadurch leidet die Qualität der Zusammenarbeit. Diese ist jedoch unerlässlich, wenn alle gemeinsam für die Zukunft ihres Unternehmens und damit auch den Erhalt ihres Arbeitsplatzes einstehen wollen.   

Aus den Diskussionen und Arbeitsergebnissen des Workshops lassen sich vier Themenfelder abgrenzen, die die Teilnehmenden als besonders wichtig empfinden: Unternehmenskultur, Kooperationen, Portfolioerweiterung und der Klassiker Marketing/Vertrieb. Diese werden von den Teilnehmenden gewichtet und so die Reihenfolge festgelegt, in der die Themen in den Folgeveranstaltungen bearbeitet werden. Der Workshop har nicht alle Erwartungen der Teilnehmenden erfüllt. Einige hatten auf handfeste Ergebnisse gehofft, wie die Arbeit im Brennstoffhandel gestaltet werden kann. Doch sie werden von ihren Kolleg*innen darauf hingewiesen, dass es keine Blaupause für diese Art der gesellschaftlichen Veränderung gebe. Alle stehen vor denselben Herausforderungen und können sich diesen gemeinsam als Teil einer AG „Branchenentwicklung“ stellen oder in Kauf nehmen, dass ihr Unternehmen in absehbarer Zeit vom Markt verschwindet.   

Unterstützung des Verbandes 

Die Teilnehmenden beschließen, die Arbeitsgruppe soll sich mindestens drei Mal im Jahr treffen. Jedes Verbandsmitglied ist eingeladen, sich einzubringen und den anderen die Herausforderungen des eigenen Betriebs vorzustellen. Oft haben die Unternehmen mit ähnlichen Problemen zu kämpfen und die Lösung des Kollegen kann für das eigene Unternehmen adaptiert werden. Oder es lassen sich gemeinsam neue Wege entwickeln. Dabei hilft der Blick über den Tellerrand: Sich Unternehmen aus anderen Branchen ansehen und deren Arbeitsweisen und Strukturen prüfen erweitert das Verständnis dafür, wie vielfältig die Unternehmenskultur sein kann. Das haben sich einige Händler als „Hausaufgabe“ vorgenommen.   Der Verband unterstützt seine Mitglieder durch die Organisation weiterer Treffen. Auch ihm ist natürlich daran gelegen, den Brennstoffhandel weiterzuentwickeln. Aber er ist für die Unternehmen auch ein wichtiger Multiplikator, der aufzeigt, dass kein Betrieb mit seinen Problemen alleine dasteht. Wohin die Reise geht und welche Gestaltungsmöglichkeiten die Händler für sich entdecken, bleibt abzuwarten.